POLITISCHES STORYTELLING

Sprache als Werkzeug: Warum dieser Politiker kein Arschloch wurde

Selling Stories

15. Dezember 2023 von Olaf Herrmann und Katharina Herrmann

Erinnerst du dich an den langjährigen Bundesminister und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher in seinem gelben Pullunder? Du wirst nicht glauben, wie schlagfertig der preisgekrönte Redner einst den Zwischenruf „Arschloch!“ zurückspielte.

Es wäre das Naheliegende gewesen, hier den Holzhammer rauszuholen.

Wie Genscher wirklich reagierte, verrate ich dir weiter unten in diesem Artikel.

Wer nur einen Hammer zur Hand hat, wird jede Störung und jedes Problem als einen Nagel betrachten. Viele glauben, dass man nur kräftig zuschlagen müsse. Dann würden sich alle Schwierigkeiten in Luft auflösen.

Wer so denkt, irrt: Die Koffer der Handwerker und die Abteilungen der Baumärkte sind voll von verschiedenen Werkzeugen. Denn: Manchmal ist es sinnvoll, fein zu bohren, um die Vielschichtigkeit eines Problems zu erkennen. Und: Jeder, der schon ein paar Umzüge hinter sich hat, weiß: Es macht einen verflixten Unterschied, ob man in Holz bohrt – oder in Beton.

„Sie müssen knallhart auftreten“. Solche Sätze irritierten Ben Rhodes. Rhodes war viele Jahre Redenschreiber und enger Vertrauter vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. In seinem Buch „Im Weißen Haus – Die Jahre mit Barack Obama“ berichtet er unter anderem von einer Anhörung außenpolitischer Experten. Dort wurde ihm verdeutlicht, wie wichtig es sei, gewaltsam einzugreifen: Dies erzeuge ein Bild der Stärke und beflügele andere in ihrem Glauben, dies sei DIE Lösung.

Draufhauen! Das ist eindeutig der Hammer im Werkzeugkasten. Doch nicht in jeder Situation sollte man ihn zur Hand nehmen. Es gibt manchmal bessere Werkzeuge, die wir nutzen können.

Sprache als Werkzeug des Erfolgs:

Lerne in diesem Blogartikel mehr über die Methoden von Barack Obama, Hans Dietrich Genscher und King Charles. Und erfahre, wie du schon in wenigen Sekunden zum kommunikativen Gewinner wirst.

Sprache als Werkzeug: Warum dieser Politiker kein Arschloch wurde

Die Inhalte dieses Blogartikels:

Sprache als Werkzeug in der Kommunikation

Dein handwerkliches Geschick könnte etwas damit zu tun haben, ob es dir leicht fällt, Schachtelsätze zu verstehen: Dasselbe Gehirnareal wird bei beiden Aufgaben aktiviert. Das belegen Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2021 vom Centre de Recherche en Neurosciences de Lyon.

So gesehen waren bzw. sind Persönlichkeiten wie Hans-Dietrich Genscher, Barack Obama und König Charles III. alle drei Handwerker: Vermutlich geborene Könner im Küchenzeilen-Aufbauen. Und ganz offensichtlich wahre Meister der Sprache und der rednerischen Auftritte – mit dem richtigen Werkzeug in der Sakkotasche.

Zum Glück hassten sie Schachtelsätze.

Mit ihrer Sprache gelang es ihnen, dass die Menschen einen Zugang zu ihren Themen bekamen. Sie traten mit ihnen in einen (inneren) Dialog. Aber wie genau schafften sie es, Worte zu finden die sich ins Gedächtnis brennen? Warum konnten sie ihre Botschaften so klar und kraftvoll vermitteln?

1. Die Methode von Barack Obama

Barack Obama verfügte über viele Werkzeuge der Sprache und setzte sie klug ein. Eine wirkungsvolle Methode war „die Leiter des Erzählens“.

Wie funktioniert dieses Werkzeug? Genauso, wie du eine Leiter im Haushalt benutzt: Du steigst hinauf, um eine kaputte Glühbirne aus der Fassung zu drehen. Du steigst hinunter, holst die neue Glühbirne und steigst wieder hoch, um sie einzudrehen.

Barack Obama wäre ein Meister im Glühbirnen-Eindrehen geworden: Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten ist in seinen Reden die „Leiter des Erzählens“ immer wieder auf- und abgestiegen. Warum er das getan hat? Der Grund ist so einfach wie genial: Obama hat damit konkrete und abstrakte Inhalte verbunden. So schaffte er es anspruchsvolle Themen wie „Die Stärke der amerikanischen Wirtschaft“ greifbar zu machen.

Ein Beispiel: Seine legendäre Denver-Rede im Jahr 2008 als Präsidentschaftskandidat.

Wie hättest du als Barack Obama über die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf Produktion und Konsum von Wirtschaftsgütern beziehen gesprochen? Wie hättest du es erreicht, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht abschalten?

Hier ziehen wir die „Leiter des Erzählens“ aus dem Schuppen: Auf den oberen Sprossen stehen abstrakte Begriffe, wie zum Beispiel „die Stärke der Wirtschaft“. Je tiefer du die Leiter hinabsteigst, desto konkreter und verständlicher wird es. Auf den unteren Trittstufen geht es um Dinge, von denen wir alle sofort ein Bild vor Augen haben. Obama sprach zum Beispiel davon, dass es nicht um noch mehr Milliardäre ginge, sondern darum, ob ein Einzelner mit einer guten Geschäftsidee es wagen könne ein persönliches Risiko auf sich zu nehmen und eine Firma zu gründen. Er sprach davon, wie eine Kellnerin, die von Trinkgeldern lebt, einen Tag zuhause bleibt, um bei ihrem kranken Kind zu sein, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlieren – in einem Land der Hire and Fire-Mentalität. Mit dem nächsten Satz stieg Obama die Leiter dann wieder hinauf und sprach über die Wirtschaft, welche die Würde der Arbeit respektiere.

Politiker, Redner und Autoren steigen bewusst auf der „Leiter des Erzählens“ auf und ab. Damit erreichen sie, dass das Thema anschaulich bleibt und relevant für uns ist.

2. Die Methode von Hans-Dietrich Genscher

Hans-Dietrich Genscher war 23 Jahre lang Bundesminister. Nur wenige Politiker waren oder sind so erfahren wie er. Genscher brillierte mit einer einfachen, aber wirkungsvollen Argumentationsstrategie:

Er stellte sein zweitbestes Argument immer an den Anfang. Mit diesem Einstieg weckte er das Interesse und die Aufmerksamkeit der Menschen. Sein stärkstes Argument stellte er grundsätzlich an den Schluss. Er wusste, dass der letzte Gedanke besonders gut im Langzeitgedächtnis des Publikums haften bleibt. Für diese persönliche Strategie wurde Genscher im Jahr 2010 mit dem Deutschen Rednerpreis ausgezeichnet.

Damit hat Genscher, bildlich gesprochen, zwei Werkzeuge benutzt: Erst hat er mit einem kleinen Handbohrer die Stelle vorbereitet, an der er ansetzen wollte. Dann nahm er die Bohrmaschine und setzte sie zielgenau an seinen vorbereiteten Punkt an.

Immer wieder stellte Genscher eindrucksvoll die Kraft des letzten Gedankens in den Raum. Mit Humor und Schlagfertigkeit konterte er währenddessen Angriffe unter der Gürtellinie. (Und hier kommt die Auflösung auf die Frage aus dem ersten Absatz dieses Blogartikels:)

Auf den Zwischenruf „Arschloch!“ bei einem seiner Rednerauftritte entgegnete er einst mit:

“Nett, dass Sie sich uns vorstellen.“

3. Die Methode von King Charles

Jeder hat sie im Kulturbeutel: Pinzetten werden verwendet, um kleine Dinge präzise zu greifen, zum Beispiel um einen Splitter herauszuziehen. Immer nützlich, wenn es darum geht, sehr genau zu arbeiten.

Ein Meister des Arbeitens mit der Pinzette ist König Charles III. Mit seinem britischen Humor brach er im Jahr 2023 schnell das Eis in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag.

„Natürlich gibt es auch Rivalität“, so Charles über die einstigen Kriegsgegner Deutschland und Großbritannien. „Ich denke da besonders an die Begegnungen zwischen unseren Fußball-Mannschaften.“

Übrigens hielt Charles seine Rede etwa zur Hälfte auf Deutsch. Der Monarch war so klug, einen Ratschlag von Nelson Mandela zu beherzigen:

„Wenn Sie mit einem Menschen in einer Sprache sprechen, die er versteht, erreichen Sie seinen Verstand. Wenn Sie mit ihm in seiner eigenen Sprache sprechen, erreichen Sie sein Herz.“

Charles hatte in der Nicht-Muttersprache gesprochen und die Menschen berührt und begeistert. Aber auch im übertragenen Sinne gilt das Mandela-Zitat:

Sprich die Sprache deiner Zielgruppe. Egal, ob im voll besetzten Plenarsaal, auf dem Marktplatz – oder in deiner Markenkommunikation.

Ein Beispiel für Letzteres ist dieser Corona-Abstands-Aufkleber, der den Ton der Schülerinnen und Schüler der Hamburger Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg traf:

ATW Abstandskampagne

„Abstand, Digga!“ Im Auftrag der Hamburger Designagentur Bureau Bald hatte Selling Stories Headlines wie diese für den Einsatz direkt in der Schule entwickelt.

Mit dem plakativen Aufkleber-Konzept wurden die Abstandsmaßnahmen direkt auf die Schülerschaft zugeschnitten. Damit setzten wir zusammen mit der Schule Alter Teichweg die kommunikative Benchmark für die Wiedereröffnung der Schulen nach den monatelangen pandemiebedingten Schließungen und lösten eine Welle medialer Berichterstattungen aus:

Sticky!

Einen weiteren Aufkleber aus dieser Reihe kannst du mitten in diesem Blogartikel von Selling Stories entdecken: Diese vier Worte schafften es bis in die ZDF-Nachrichten, wurden vielfach zitiert und sogar Titel der Printausgabe der Hamburger Morgenpost.

Um beim „Sprache als Werkzeug“-Thema zu bleiben: Diese Headline war der HAMMER.

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